„Theater der Unterdrückten“ in Afghanistan – eine Begegnung im Finkenwerder Geschichtsprofil

Trialog-H1Obwohl wir Afghanistan im ersten Moment nicht mit Poesie, Dichtern oder Kunst in Verbin­dung bringen, gibt es viele Poeten und traditionelle Gedichte in Afghanistan. Durch die Poesie bringen Menschen ihre Gefühle zum Ausdruck und entfliehen auf diese Weise ihrem angsterfüllten Alltag. So begann Saleem vom „Theater der Unterdrückten“ mit der mimisch ausdrucksstarken Rezitation eines wunderbaren Gedichtes über die Schönheit der Landschaft Afgha­nistans.

Afghanistan – was ist das erste, das uns in den Sinn kommt? Gastfreundschaft, leckeres Essen, wunderschöne Frauen, die Taliban, seit vielen Jahren im Krieg …

Wir erfahren etwas über die bunte Bevölkerung des Landes, die sich aus einer Vielzahl ethnischer Gruppen und Stämme zusammensetzt. Die vier wichtigsten Ethnischen Gruppen sind die Paschtunen, die Tadschiken, die Hazara, die Usbeken.

Wie kann Theater in einem Land funktionieren, wo, je nach Betrachtungsweise, seit über 30 Jahren ein schrecklicher Krieg herrscht? „Theater in Afghanistan”, so Hjal­mar Joffre-Eichhorn, einer unserer beiden Gäste im S1-Profil Geschichte „Freiheit – wozu?“, hat sich dieser Arbeit verschrieben. Bei diesem Projekt geben „reale” Menschen „reale” Themen mit improvisierten Theaterstücken wieder. Egal, ob Mann oder Frau, jede/r ist bei Hjalmar herzlich willkommen, um innere Konflikte oder Ideen auszusprechen und diese durch Theaterstücke an die Gemeinschaft weiterzugeben, damit auch andere nachdenken. Durch diese Theaterprojekte wird es vielen möglich, Kritik an der politischen Lage, an der Unterdrückung von Frauen und daran zu äußern, nicht wahrgenommen zu werden. Durch sie erhalten Menschen die Möglichkeit, sich selbst zu entdecken und andere dazu zu motivie­ren, friedvoll für Gerechtigkeit zu kämpfen. Auf diesem Weg entdecken mehr und mehr Menschen ihre Identität und kämpfen für ihre Freiheit. In einem Kampf für Gerechtigkeit und Anerkennung zählt nämlich jeder einzelne Mensch, egal, ob arm, reich, Mann oder Frau. „Gerechtigkeit bedeutet nicht immer, dass ein anderer bestraft wird, sondern, dass man wahrgenommen wird. Oft ist das Einzige, das die Menschen in Afghanistan wollen, dass sie und ihre toten Verwandten, Freunde, oder Kinder wahrgenommen werden”, so erklärt uns Hjalmar vom „Theater der Unterdrückten“.

Die Beziehung zwischen Mann und Frau in Afghanistan ist natürlich nicht dieselbe wie die, die wir von uns kennen. Hjalmar und Saleem erklärten uns einige Dinge, die man wissen sollte: Auf der Straße tragen Frauen Kopf/Körper bedeckende Gewänder; Frauen meiden längeren Blickkontakt mit Männern und umgekehrt; bei einer Begrüßung ist es nicht notwendig, dass Mann und Frau sich die Hände geben; Frauen kümmern sich um den Haushalt, haben oft keine Schulbildung; Frauen werden oft schon als Kinder verheiratet; es ist sehr schwierig für Frauen, sich unabhängig von ihren Familien oder ihren Ehemännern zu mache. Unsere Gäste betonten jedoch auch, dass einige der o.g. Punkte einen langen traditionellen Hintergrund haben.

Der Besuch von Hjalmar und Saleem eröffnete uns neue Einsichten in die Notwendigkeit von Multiperspektivität. Einmal mehr durften wir erfahren, dass stereotypische Einstellungen und Vorurteile falsch sind und einen Kulturkontakt verhindern. Dank Hjalmar und Saleem werde ich mir in der Zukunft mehr Gedanken darüber machen, ob ich lieber still bleibe oder für die Freiheit kämpfe.

Am 3.2. kommt Hjalmar Jorge Joffre-Eichhorn in die Schulbibliothek und liest Schülern aus seinem Buch „Wenn die Burka plötzlich fliegt – Einblicke in die Arbeit mit dem Theater der Unterdrückten in Afghanistan“ vor.

Esma Bilen